„Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ – leichte Erklärung

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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod

In seinem Bestseller Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod verwies der Spiegel-Kolumnist Sebastian Sick auf ein verbreitetes sprachliches Phänomen: auf Verschiebungen bei der Wahl des richtigen Kasus. Genauer: auf den Ersatz des Genitivs durch den Dativ. Vor allem in der Umgangssprache, aber auch regional in unterschiedlicher Ausprägung ist zu beobachten, dass der Genitiv in vielen Anwendungen zugunsten des Dativs vernachlässigt wird.

Dativ oder Genitiv?

Bei vielen Menschen bestehen Unsicherheiten hinsichtlich des Gebrauchs des Kasus. Im Deutschen gibt es eine Reihe von „Fällen“, wie „Kasus“ auf Deutsch heißt. Zum Beispiel: Der Vater, des Vaters, dem Vater, den Vater – das sind die vier Fälle im Maskulinum Singular oder in entsprechender Reihenfolge: Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ. Auch im Plural gibt es diese vier Fälle und das flektierte (gebeugte) Substantiv „Vater“ lautet mit bestimmtem Artikel dann so: Die Väter, der Väter, den Vätern, die Väter.

Vier Fragen

Wie kommt man auf den richtigen Kasus? Welcher Fall jeweils der richtige ist, lässt sich oft ohne Nachschlagewerk beantworten. Durch die richtige Frage beispielsweise. Den für jeden der vier Fälle gibt es eine Frage und sie liefert die Antwort gleich mit. Beispiel:

  • Bei Nominativ fragt man: Wer oder was?
  • Bei Genitiv fragt man: Wessen?
  • Bei Dativ fragt man: Wem oder was?
  • Bei Akkusativ fragt man: Wen oder was?

Sich diese Fragen zu merken heißt ein gutes Entscheidungskriterium im Kopf zu haben, um in Zweifelsfällen weiterzukommen. Angewendet: Das Auto des Vaters ist grau. Des Vaters Auto ist grau. In welchem Fall steht „Vater“? Wessen Auto ist grau? Das Auto des Vaters. Also Genitiv (Die Fragen Wer Auto ist grau? Wem Auto ist grau? oder Wen Auto ist grau? sind falsch.)

Der große Bruder droht: Ich klebe dir gleich eine. Wem droht der große Bruder? Dir. Also steht „dir“ im Dativ. Damit sind Anwendungen demonstriert, in denen die Grenzen von Genitiv und Dativ ganz klar abgesteckt sind. Der Genitiv bezeichnet hier einen Besitz, ein Eigentum, der Dativ eine Richtung, eine Bewegung.

Die Grenzen der Analyse

Sprachliche Entwicklungen vollziehen sich nicht immer logisch und sind schwer vorhersagbar. Die folgende sprachliche Abänderung stellt eine solche Entwicklung dar, wieso sie geschah, lässt sich kaum eindeutig klären. Man könnte sagen, der Dativ überschritt seine Kompetenzen und mischte sich in die Befugnisse des Genitivs. Das Deutsche erlaubt nämlich noch die Formulierung:

  • Das Auto vom Vater ist grau.

Löst man die Verschmelzung auf (vom = von dem), ergibt sich eine Dativkonstruktion mit bestimmtem Artikel. Sie ist nicht falsch, aber umständlich, und gehört eher der Umgangssprache oder regionalen Mundarten, also der gesprochenen Sprache an. Auch ist ja eigentlich der Genitiv für das Eigentum und Besitz verantwortlich, während das „von“ plus Artikel hier eine Richtung (wohin? woher?) beinhaltet:

  • Dieser Ast ist vom Baum des Nachbarn.

Doch der Missbrauch des Dativs geht tatsächlich noch ärger und umständlicher:

  • Dem Vater sein Auto ist grau.

Häufig, aber nicht korrekt. Warum? Weil man in der Hochsprache den bestimmten Artikel „dem“ (im Dativ) nicht mit einem Possessivpronomen „sein“ (im Nominativ) kombiniert. Warum auch? Des Vaters Auto ist grau – eindeutig einfacher und kürzer.

Präpositionen – eine einfache Regel

Weitere Fallstricke hinsichtlich des Einsatzes von Fällen halten im Deutschen die Präpositionen bereit. Welcher Fall folgt auf etwa diese Präpositionen: wegen, während, angesichts, ungeachtet, seit, dank oder durch? Es gibt viele Präpositionen in unterschiedlichen Kategorien. Hier merkt man sich am besten eine einfache und kurze Regel: nachschlagen! Die Wörterverzeichnisse wie auch die Online-Nachschlagewerke halten die Auskunft, welcher Fall nach welcher Präposition folgt, bereit. So folgt auf „wegen“ der Genitiv:

  • Das Fußballspiel fiel wegen schlechten Wetters aus.

Folgt keine nähere Bestimmung (hier: schlechten), bleibt das Substantiv ungebeugt (im Nominativ):

  • Das Fußballspiel fiel wegen Schlechtwetter aus.

Die Frage, die hier zu stellen wäre, lautet: Weswegen fiel das Fußballspiel aus? In der Silbe „wes-“ wird der Genitiv erkennbar und ist der hier anzuwendende Fall. Alle anderen Lösungen (wegen schlechtem Wetter) sind grammatisch falsch, haben sich aber in die Umgangssprache eingeschlichen.

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